„Befreit – aber nicht vergessen“ Schüler:innen erinnern an NS-Zwangsarbeit in Waltrop

Der 8. Mai markiert das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa – für einige lange Zeit ein Tag der Niederlage, danach ein Tag der Befreiung und heute? Bundespräsident Richard von Weizsäcker sprach 1985 offen davon, dass der 8. Mai ein „Tag der Befreiung“ gewesen sei – von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, vom Krieg und vom Völkermord. Für wen dieser Tag wirklich eine Befreiung bedeutete, wurde bei einer eindrucksvollen Abendveranstaltung am 5. Mai in Recklinghausen deutlich, die von der Justizakademie NRW, der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit sowie der Stadt und der VHS Recklinghausen organisiert wurde.

Im Zentrum der Veranstaltung stand das Thema Zwangsarbeit im Nationalsozialismus – ein Verbrechen, das auch in Waltrop und Umgebung tiefe Spuren hinterlassen hat. Schüler:innen der Wolfgang-Borchert-Gesamtschule Recklinghausen und der Klasse 9c des THG Waltrop gestalteten gemeinsam einen zentralen Beitrag des Abends. Sie erinnerten an das Schicksal dreier junger Menschen aus Osteuropa, die nach Waltrop und in die Umgebung verschleppt und dort teilweise unter menschenunwürdigen Bedingungen zur Arbeit gezwungen wurden. Die intensive Auseinandersetzung der Jugendlichen mit den historischen Einzelschicksalen und die Art, wie sie diese mit eigenen Worten und Gedanken auf die Bühne gebracht haben, machten deutlich, wie reflektiert und verantwortungsvoll sie sich mit dem Thema vorab im Unterricht auseinandergesetzt hatten.

Gerade junge Stimmen wie diese machen deutlich, dass Erinnerungskultur mehr ist als Rückblick – sie hilft uns, den 8. Mai im Hinblick auf das Thema Zwangsarbeit als Tag der Befreiung zu begreifen und seine Bedeutung für die Gegenwart wachzuhalten.

 

Die Veranstaltung wurde durch Grußworte der stellvertretenden Bürgermeisterin der Stadt Recklinghausen sowie von Justizminister Dr. Benjamin Limbach eröffnet. Besonders eindrücklich war Limbachs persönliche Anmerkung, dass auch in seiner eigenen Familiengeschichte Zwangsarbeit eine Rolle spielte – ein Moment, der die historische Verantwortung in einen aktuellen, sehr persönlichen Kontext rückte. Der ehemalige Richter am Oberlandesgericht, Manfred Schmitz-Berg, ordnete die Thematik juristisch und historisch ein und zeigte auf, wie systematisch Zwangsarbeit im NS-Staat organisiert und durchgeführt wurde und wie bis heute daran erinnert wird. Im Anschluss bot eine Podiumsdiskussion unter der Moderation von Nora Müller (Körber-Stiftung) Raum für weiterführende Perspektiven. Es diskutierten: Justizminister Dr. Benjamin Limbach, Martin Bock (Vorstandsreferent der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft), Prof. Dr. Norbert Friedrich (Fliedner Kulturstiftung Kaiserswerth), Judith Neuwald-Tasbach (ehemalige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen) und Jürgen Pohl (ehemaliger Leiter der Volkshochschule Recklinghausen).

 

Begleitet wurde die Veranstaltung von einer Ausstellung, die im kommenden Jahr auch am THG für Schüler:innen zugänglich sein wird.

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